• Frage: Können Experimente in der Teilchenphysik gefährlich sein, so wie man es theoretisch bei Versuchen mit dem Higgs-Boson annimmt? Und wie klärt man das Gefahrenpotential vor einem Versuch ab?

    Frage gestellt FinjaS am 18 Nov 2021.
    • Foto: Markus Huber

      Markus Huber Beantwortet am 18 Nov 2021:


      Potentielle Gefahren von Teilchenphysikexperimenten versucht man natürlich zu vermeiden. Wenn es zu gefährlich wäre, dürfte man sie ansonsten gar nicht erst bauen. Es gibt dafür eigene Kommissionen, die so etwas abklären. Vielleicht können meine ExperimentalphysikkollegInnen Näheres dazu sagen. Beim LHC, wo man das Higgs-Boson gefunden hat, war man sich extrem sicher, dass keine Gefahren wie gefährliche kleine Schwarze Löcher auftreten konnten. Wenn jemand behauptet, es könnten Schwarze Löcher erzeugt werden, dann muss er/sie auch sagen, wie das geht. Und dann kann man sich das im Detail anschauen und ausrechnen, ob das plausibel ist oder nicht.

    • Foto: Christian Klein-Bösing

      Christian Klein-Bösing Beantwortet am 18 Nov 2021: last edited 18 Nov 2021 1:00 pm


      Ich denke du spielst auf Gefahren durch ungewollte physikalische Effekte an.

      Die Reaktionen in der Teilchenphysik, die an Beschleunigern untersucht werden, finden genau so auch in der Atmosphäre statt, wenn kosmischer Strahlung auf sie trifft (je höher die Energie, desto seltener aber). In Beschleunigern weiss man aber wo die Reaktionen stattfinden und kann dort einen entsprechenden Detektor platzieren und man hat sehr viele Reaktionen an der gleichen Stelle. Es passiert also in Beschleunigern nichts Neues, man beobachtet es nur besser.

      Darüber hinaus gibt es durchaus technische Gefahren, z.B. durch die tiefen Temperaturen und hohen Ströme supraleitender Magnete oder der Strahlenbelastung am Kollisionspunkt. Diese sind jedoch alle auf den Beschleuniger und auf Menschen die direkt daran arbeiten beschränkt und werden nach den entsprechende Vorschriften für technische Anlagen geprüft. Am LHC gilt übrigens immer die strengere Vorschrift der beiden Länder in denen er liegt, Frankreich oder Schweiz.

    • Foto: Sascha Mehlhase

      Sascha Mehlhase Beantwortet am 18 Nov 2021:


      Es gibt keinen guten Grund das überhaupt anzunehmen.

      Ein wesentliches Argument dabei ist, dass die Natur selbst Teilchenkollisionen bei noch viel höheren Energien produziert und dies über Jahrhunderte schon gemacht hat ohne das die Welt untergegangen ist. Wir können diese Energien im Labor leider (noch) nicht erreichen und benötigen für aussagekräftige Experimente kontrollierte Bedingungen und gute Statistik (viele Kollisionen, da die Prozesse selten sind).

    • Foto: Tina Pollmann

      Tina Pollmann Beantwortet am 18 Nov 2021:


      Die Frage kann in zwei Richtungen gehen:
      1) Arbeitssicherheit, also dass den Leuten, die am Experiment arbeiten, und der Allgemeinheit, nichts passiert. Bevor man ein Experiment baut, und dann nochmal bevor es in Betrieb genommen wird, erstellt man eine Gefahrenmatrix zusammen mit dem Beauftragten fuer Arbeitssicherheit. Dort schreibt man alles rein, was passieren kann, wie ernst das ist, wie wahrscheinlich es ist, und ob Vorkehrungen getroffen werden müssen. Das ist oft ganz trivial. Z.b.- wenn Gerät läuft und jemand hier rein greift, verletzt er sich den Finger. Ist es wahrscheinlich, dass das passiert? Wenn ja, dann bauen wir einen Schirm davor, damit niemand reingreifen kann. Oder: Die radioaktive Quelle im Experiment hat eine bestimmte Aktivität. Wir rechnen aus, dass jemand, der am Experiment arbeitet, dann an einem Arbeitstag mehr Strahlenbelastung ausgesetzt ist, als gesetzlich erlaubt. Dann rechnen wir aus, wieviel Abschirmung nötig ist, um die Strahlenbelastung niedrig genug zu halten, und bauen die nötige Abschirmung auf. Nachdem das Experiment aufgebaut ist messen wir nach, dass die Strahlenbelastung um das Experiment herum wirklich niedrig genug ist.
      Das ist in der Industrie genau so, also nichts, was nur im Forschungslabor gemacht wird.

      2) Bedenken darüber, dass das Experiment selbst, also nicht der Versuchsaufbau oder Schusseligkeit von Jemandem oder ein Unfall, etwas katastrophales und unvorhersehbares auslöst, also im Extremfall die Erde zerstört wird oder sowas. Diese Sorgen sind völlig unbegründet, weil wir Teilchenphysiker nichts machen, was nicht im Universum ständig vor kommt. Um das Higgs Boson zu finden, haben wir Protonen aufeinander geschossen. Die Erde (also Gase in der Atmosphäre, letztendlich auch voller Protonen) wird ständig von Protonen aus dem All getroffen. Diese Protonen haben zum Teil so hohe Energien, davon koennen wir im Labor nur Traeumen. Dabei ist noch nie etwas katastrophales passiert. Wir machen im Labor nur unter kontrollierten Bedingungen nach, was in der Natur eh vorkommt.

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