• Frage: Ist das was ich sehe real oder ist es eine Illusion? Kann man dies mit der Teilchenphysik begründen?

    Frage gestellt alishaH am 9 Nov 2021.
    • Foto: Christian Klein-Bösing

      Christian Klein-Bösing Beantwortet am 9 Nov 2021:


      Unsere Sinne (wie das Sehen) sind erstmal Messinstrumente oder Detektoren, die auf physikalische Reize reagieren (Licht). Diese Reize sind real, das Gehirn setzt diese Informationen zusammen und interpretiert sie auch. Bei der Interpretation, die u.a. auf unserer Erfahrung basiert, treten dann manchmal „Fehler“ auf (so entstehen dann optische Täuschungen auf), so dass z.B. zwei gerade Linien sich zu krümmen scheinen. Mit Hilfe anderer Instrumente (z.B. Lineal) kann man diese Täuschungen jedoch entlarven. Unser Sehen ist ausserdem beschränkt auf bestimmte Wellenlängen (die wir als verschiedene Farben wahrnehmen). Infrarotes oder ultraviolettes Licht kann man ebensowenig sehen wie Radiowellen oder Röntgenstrahlen. Unser Blick auf die „Realität“ ist also nur ein kleiner Ausschnitt und wir nutzen verschiedene Hilfsmittel, um ein kompletteres Bild zu bekommen (z.B. Mikroskope, Teleskope, Röntgen-Geräte aber auch Beschleuniger und Teilchendetektoren).

    • Foto: Tobias Triffterer

      Tobias Triffterer Beantwortet am 9 Nov 2021:


      Das Bild, das du siehst, entsteht grundsätzlich in deinem Gehirn. Es ist nicht unbedingt nur eine Illusion, aber definitiv immer subjektiv.

      Wenn du etwas siehst, steckt elektromagnetische Strahlung dahinter. Die Lichtquelle sendet Photonen aus, die in dein Auge fallen und auf der Oberfläche deiner Sehzellen eine chemische Reaktion in speziellen Proteinen auslösen. Die Sehzelle registriert die Veränderung des Proteins und gibt sendet einen entsprechenden Impuls über den Sehnerven an das Gehirn. Dies ist der Beitrag der Teilchenphysik zu dem Problem, denn Photonen und ihre Interaktion mit den Proteinen werden durch die Quantenelektrodynamik (QED) beschrieben.

      Zunächst einmal kann das menschliche Auge nur einen Bruchteil des elektromagnetischen Spektrums wahrnehmen, das von Radiowellen über Mikrowellen, Terahertzwellen, infrarotem Licht, sichtbarem Licht, ultraviolettem Licht zu Röntgen- und Gammastrahlung reicht.

      Es gibt Tiere, die auch Infrarot- oder Ultraviolettstrahlung wahrnehmen können, deren Bild von der Welt unterscheidet sich daher grundlegend von dem, was wir Menschen sehen.

      Es gibt im menschlichen Auge zwei verschiedene Arten von Sehzellen: Zapfen und Stäbchen. Die Stäbchen sind viel empfindlicher als die Zapfen, können aber nur Hell und Dunkel unterscheiden. Das ist der Grund dafür, dass man im Dunkeln keine Farben mehr sieht, sondern alles grau ist: Für die Zapfen, die für das Farbsehen verantwortlich sind, ist zu wenig Licht da, aber die Stäbchen funktionieren noch.

      Sofern keine Rot-Grün-Blindheit oder ein anderer Gendefekt vorliegt, gibt es in deinem Auge drei verschiedene Typen von Zapfen, die für drei verschiedene Farben zuständig sind. Grob gesagt sind das Rot, Grün und Blau.
      Während des physikalisch gesehen ein kontinuierliches Spektrum und damit theoretisch gesehen unendlich viele Farben gibt, kann das menschliche Auge nur drei Farbeindrücke verarbeiten. Die Farbvielfalt, die wir sehen, entsteht aus der Kombination dieser drei Farbeindrücke.

      Die drei Zapfentypen erkennen aber nicht nur eine spezifische Farbe, sondern sind über einen ganzen Bereich mehr oder weniger empfindlich. Physikalisch gesehen entspricht die Farbe der Wellenlänge des Lichts. Die drei Zapfentypen haben ihr Empfindlichkeits-Maximum bei Wellenlängen von 455 nm, 535 nm und 563 nm. Die Verteilung der Empfindlichkeit der drei Typen über die verschiedenen Wellenlängen siehst du hier:
      https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cone-response-de(2).svg

      Wenn du also beispielsweise die Farbe gelb siehst, liegt das daran, dass sowohl die roten als auch die grünen Zapfen ein Signal gegeben haben. Die Zapfen können dabei nicht unterscheiden, wo in ihrem Wellenlängenbereich sie getroffen wurden, es gibt nur Signal oder kein Signal, ähnlich wie 1 und 0 bei einem Computer. Dies macht man sich zu nutze, wenn man Bildschirme für Computer baut: Jeder Bildpunkt (Pixel) eines Bildschirms besteht aus Subpixeln für rot, grün und blau. Wenn du also beispielsweise eine schöne hellgelbe Blüte anschaust, fällt Licht mit einer Wellenlänge von rund 560 nm in dein Auge. Machst du mit deinem Smartphone ein Foto von der Blume und schaust dir dieses auf dem Bildschirm an, so sieht die Blüte genauso gelb aus – es fällt aber gar kein gelbes Licht in dein Auge, sondern rotes Licht mit etwa 620 nm und grünes Licht mit etwa 500 nm. Dein Auge kann die beiden Varianten aber nicht unterscheiden, daher siehst du in beiden Fällen gelb.

      Wie eingangs erwähnt, hat das Gehirn auch noch wesentlichen Einfluss:
      Aus der Optik weiß man, dass man immer mehrere Linsen braucht, um eine vernünftige Abbildung zu erzeugen, zum Beispiel in einer Kamera.
      Das Auge hat aber nur eine Linse. Eigentlich ist das Bild, das du siehst, nur in der Mitte scharf, nach außen hin wird es unschärfer. Zudem hast du einen blinden Fleck an der Stelle, an der der Sehnerv die Netzhaut verlässt.
      An Stelle zusätzlicher Linsen hat die Evolution in das Gehirn quasi eine „Bildbearbeitungssoftware“ eingebaut, die diese Dinge ausgleicht. Das Bild, dass in deinem Bewusstsein ankommt, ist überall gleich scharf und hat keine schwarzen Flecken irgendwo (falls doch, sollte man zum Augenarzt gehen). Hierbei wird jedoch nicht nur Unschärfe korrigiert, es wird auch ordentlich gefiltert, um das Bewusstsein nicht mit Reizen zu überfluten. Daher kommt es auch, dass einem Details oder Veränderungen manchmal nicht auffallen, da man sie tatsächlich nicht gesehen hat – sie wurden auf dem Weg von den Sehzellen ins Bewusstsein herausgefiltert.

      Darüber hinaus kann man nun auch noch philosophisch werden und sich fragen, ob überhaupt eine Realität existiert oder ob sich der eigene Verstand das alles nur einbildet. Den Teil lasse ich hier mal weg, bei Interesse kannst du in der Enzyklopädie deiner Wahl mal nach dem Stichwort „Konstruktivismus“ suchen.

      Schlussendlich bleibt: Unser Bild von der Welt ist immer individuell, auch wenn die Physik dahinter für alle gleich ist…

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